Rezension: Rohals Erben

Vorbemerkung: Die Auslieferung eines Crowdfundings sorgt immer für einen Berg an Produkten, die sich auf meinem Schreibtisch stapeln. Und natürlich stellt sich dann zuerst die Frage: Womit anfangen? Im vorliegenden Fall ist die Antwort jedoch einfach: Selbstverständlich werde ich den Reigen heute mit dem titelgebenden Hauptband Rohals Erben beginnen, da hier alle Grundlagen zum Kernthema Gildenmagie enthalten sind. Vor allem soll der Band eine Lücke füllen, die ich bei den bisherigen DSA5-Publikationen zur Zauberei (also primär Aventurische Magie I-III) beklagt habe: Im Mittelpunkt stehen weniger die Regeln, sondern der Hintergrund.

In Zahlen:

– 192 Seiten

– Beschreibungen aller 3 großen Gilden

– Preis: 44,95 Euro

– Erschienen am 30.10. 2022

I. Aufbau und Inhalt

Der Band bewegt sich vom Allgemeinen zum Konkreten: Somit wird zunächst generell einiges zum Oberthema Magie angemerkt, v.a. der Magie der Gildenmagier, die sich im Form von einer Zaubermatrix und einer Thesis niederschlägt, ergänzt wird dies noch durch ein kleines Magierglossar. Zur Übersicht werden dann in Kurzform die Magierakademien Aventuriens vorgestellt, gegliedert in die drei Gilden, aber auch unter Berücksichtigung von gildenlosen Akademien und solchen, die heute nicht mehr existieren, was auch durch eine Karte mit entsprechenden Symbolen dargestellt wird. 

Folgend stehen die Gilden selbst im Fokus, ebenfalls zu Beginn mit einigen allgemeinen Aspekten, z.B. wie ein Gildenwechsel stattfinden kann. Danach werden die Weiße, Schwarze und Graue Gilde auf je knapp zwei Seiten in ihren Grundcharakteristika skizziert, gleiches gilt für gildenlose Magier. Dazu passend wird der typische Werdegang von Magier*innen aufgegliedert, von der Entdeckung der Magiefähigkeit über die Aufnahme an einer Akademie bis hin zu Rängen, die man dort erwerben kann. Dazu gehört auch die Schilderung des Alltags an einer magischen Ausbildungsstätte bzw. bei privaten Lehrmeistern, ebenso wird auf Sonderthemen wie Sprache und Schriften, Aberglauben und wichtige Ereignisse im Jahresverlauf eingegangen. Da nicht nur die Lernenden, sondern auch die Lehrenden relevant sind, findet sich auch eine Beschreibung der Hierarchie, z.B. der Gildenämter und akademischen Ämter, ebenso wie dazugehörige Ehrungen.

Gildenangehörige sollen klar als solche erkennbar sein, was im sogenannten Codex Albyricus festgelegt ist, der Kleiderordnung. Insgesamt existieren 5 verschiedene Gewandungen für unterschiedliche Anlässe, außerdem gibt es, je nach aventurischer Region, verschiedene Modeerscheinungen. Zudem wird hier auch erläutert, wie streng die Gilden die Einhaltung des Codex von ihren Angehörigen abverlangen. Gleichermaßen hat auch das Magierdasein eine finanzielle Komponente, weshalb die Notwendigkeiten des Lebensunterhaltes aufgeschlüsselt werden, wozu auch die Abgaben und Pflichten gegenüber der Heimatakademie gehören. In diesem Kontext werden auch Beispiele angefügt, in welcher Funktion man als Zauberwirker beruflich tätig sein kann, z.B. als Leibmagier oder im Dienst eines Heeres etc. Auch Rechtsfragen sind höchst relevant, gelten für Magiebefähigte doch oft besondere Gesetze oder ein gesondertes Gildenrecht, z.B. in Form von Gildentribunalen.

Ebenso bietet der Band auch konkrete Spielinhalte an: Zuerst handelt es sich hierbei um einen Magierturm, für den eine allgemeine Beschreibung existiert, also für die einzelnen Räume. Allerdings ist auch dies dreigliedrig, indem je zwei potentielle Bewohner für die Graue/Weiße/Schwarze Gilde dazugehören, ebenso unterscheidet sich die Nutzung einzelner Räume je nach Gildenbedarf. Dazu ist natürlich auch eine Karte vorhanden. Bei dem zweiten Spielort handelt es sich um eine Akadamie, die ausführlicher als in den Kurzbeschreibungen vorgestellt wird. Dabei fiel die Wahl auf das Institut der arkanen Analysen zu Kuslik. Diese vergleichsweise junge Akademie weist die Besonderheit auf, dass sie die einzige gildenübergreifende Akademie Aventuriens ist und dementsprechend auch drei Spektabilitäten hat.       

Passend dazu wird auf die Forschung an Akademien eingegangen, sowohl was Rahmenaspekte wie Finanzierung und Veröffentlichung als auch die unterschiedlichen Forschungsfelder betrifft. Letztere sind einerseits sehr allgemeiner Natur, es gibt aber auch hochaktuelle Themen, z.B. Forschung zum Karmakorthäon und zum Sternenfall.

Neben den Akademien gibt es eine weitere Ordnungseinheit im Rahmen der Gildenmagie: die gildenmagischen Orden. Die wichtigsten unter ihnen erhalten eine Kurzvorstellung (mit einer stichwortartigen Aufgliederung der wichtigsten Fakten und einem kurzen Beschreibungstext): die Anconiter, der Bund der Schatten, die Draconiter, die Grauen Stäbe, das Kabinett der Herrschaft, der Ordo Mephalis, der Pentagramm-Orden, die Pfeile des Lichts. Der Orden der Schlange, die Rohalswächter, die Schwesternschaft der Mada und die unterschiedlichen aranischen Qabalyim.

Ebenfalls sehr relevant für die Gildenmagie sind religiöse Vorstellungen, die gerade zwischen den drei Gilden sehr variiert, indem z.B. die Weiße Gilde sich streng an den Zwölfen orientiert, während die Schwarze Gilde allzu klare Bindungen vermeidet. Hier wird unter anderem auf die wichtige Rolle von Hesinde und Mada eingegangen.

Wie immer ist ein Sonderkapitel mit dem Titel Rang und Namen vorhanden, welches die wichtigsten Magiewirkenden der Gilden Aventuriens vorstellt, u.a. die Vorsteher der drei Gilden, Saldor Foslarin, Salpikon Savertin und Ashtarra Okharim, aber natürlich auch illustre Figuren wie Hasrabal von Gorien, Thomeg Atherion und Rakorium, die schon seit Jahrzehnten zu den prominentesten NSC von DSA gehören. In Kurzform werden zudem alle Spektabilitäten berücksichtigt, um eine Gesamtübersicht zu haben.

Natürlich hat auch die Gildenmagie eine wechselhafte Geschichte, die im Historienkapitel ausgeführt wird. Dabei findet sich ein Abriss, beginnend mit der Entstehung der Gilden, über die Gründung der ersten Akademie in Rashdul, hin zu wichtigen Ereignissen wie der Herrschaft Rohals, den Magierkriegen bis hin zur Gegenwart, wobei vornehmlich die Ereignisse um Borbarads Rückkehr einschneidend waren.

Auch die konkrete Figurenperspektive wird berücksichtigt, indem mögliche Motivationen beschrieben werden, ebenso findet sich eine Würfeltabelle, um Hintergründe eines solchen Charakters zu ermitteln. Hier sind auch die einzigen Regelanteile des Bandes verortet, einige neue Zaubertricks, Zaubersprüche und Rituale, ebenso Vor- und Nachteile. Außerdem wurde ein kleines Herbarium hinzugefügt, mit Pflanzen, die im Kontext von Magie stehen. Zusätzliche Professionen sind die Dämonenjägerin, der Erzmagus, die Ghulforscherin, die gildenmagische Abenteuerin, der Hof- und Leibmagier, die magische Ermittlerin, die Puniner Magietheoretikerin und der reisende Elfenmagier. Dazu gibt es jeweils eine Kurzbeschreibung sowie das Professionspaket. Kurz wird auch die Möglichkeit von Themengruppen angesprochen.

Auf den Index für den allgemeinen Teil folgt zuletzt das Sonderkapitel Mysteria und Arkana. Hier werden wie üblich besondere Geheimnisse aufgeschlüsselt, die in die Hände einer Spielleitung gehören. U.a. handelt es sich dabei um besondere Hintergründe der Akademien und Magierorden, aber auch der vorgestellten NSC.

II. Kritik

Lobend muss ich direkt anmerken, dass der Band in Struktur und Inhalt einen sehr runden Eindruck macht. Das Thema Gildenmagie wird aus vielen Perspektiven betrachtet, die nach einer nachvollziehbaren Logik miteinander verknüpft sind und den Leser*innen somit einen sehr weitreichenden Überblick bieten. Vor allem, wenn man selbst eine magiebegabte Figur im gildenmagischen Kontext spielen möchte, erhält man sehr umfassende Informationen, mit denen man sämtliche Hintergründe lebendig ausgestalten kann.

Gleiches gilt für die Organisationstruktur der Gildemagie insgesamt. Sehr nachhaltig werden die Unterschiede, Differenzen und Gemeinsamkeiten der drei großen Gilden aufgeschlüsselt, so dass man am Ende Weltsicht, Handlungsphilosophie und Wirkungsmöglichkeiten von Magier*innen der Schwarzen/Weißen/Grauen Gilde gut unterscheiden kann. Spannend sind dabei natürlich auch die vielen hintergründigen Konflikte, die immer wieder angesprochen werden. Sehr relevant ist auch die Grundübersicht über die einzelnen Akademien, die man präsentiert bekommt, sind doch die Akademien sehr häufig Orte, die von Heldengruppen aufgesucht werden und eben gerade solche Themen wie Informationssuche und Dienstleistungen wurden berücksichtigt. Sehr konkret wird der Band auch auf der Figurenebene immer wieder, indem hier sehr viele wichtige prominente NSC beinhaltet sind. Besonders aktuell ist Rohals Erben durch die Einarbeitung des letzten Großereignisses innerhalb der Gildenmagie, was ja auch im begleitenden Auf ins Abenteuer-Band Lowanger Lügenmärchen spielbar zu erleben ist. Hier verspürt man eine enge Verknüpfung der Einzelprodukte, indem die dort aufgeworfenen Geschehnisse nun mit einer Zukunftsperspektive versehen werden, die tatsächlich einige Auswirkungen haben, v.a. auf die Schwarze Gilde.

Spielbare Elemente halte ich ohnehin immer für wichtig, wie sie hier z.B. in Form des Magierturms vorhanden sind, gleiches gilt aber auch für Orden- oder NSC-Beschreibungen, beispielsweise sind hier auch wieder viele Figuren aufgenommen, die in Zukunft sowohl als Verbündete, Auftraggeber oder Gegenspieler verwendbar sind.

In einigen Punkten geht mir der Band allerdings auch nicht weit genug. Das gilt beispielsweise für das Mysterienkapitel. Die dort genannten Geheimnisse sind meiner Meinung nach oft wieder so vage gehalten, dass ich nicht nachvollziehen kann, warum sie zu den Mysterien gehören und nicht im allgemeinen Teil stehen. Nach meinem Verständnis gehören dort eben eher solche Inhalte hin, die wirkliche Geheimnisse offenbaren und zukünftige Ereignisse skizzieren und nicht nur neue Andeutungen, die alles mit Konjunktiven verbinden oder gar nichts Konkretes verraten. Dies wird  insbesondere bei den Figuren deutlich, bei den meisten (nicht allen) steht in den Mysterien kaum etwas, was über den allgemeinen Text hinausgeht, ein markantes Beispiel wäre hier Yppolita von Gareth.

Auch wenn ich die meisten Themen als relevant empfinde, gibt es einen Aspekt, den ich diesmal nicht verstehe: Mir erschließt sich nicht, warum ein solcher Band neue Zaubersprüche, Rituale etc. enthält, wenn im gleichen Crowdfunding mit dem Grimorum Cantiones ein Band vorhanden ist, der eine umfassende Sammlung dessen liefern wird. Sonst war ich ja bisher bereit, das Argument der Ergänzung vorheriger Publikationen zu akzeptieren, hier ist es für mich dann aber doch völlig redundant.

Das ist vielleicht ohnehin die größte Einschränkung, die sicherlich nicht wenige Leser*innen betreffen dürfte: Durch Aventurische Magie I-III und auch die Kreaturenbände, die mit Magie in Verbindung stehen (u.a. das Aventurische Elementarium oder das Aventurische Transmutarium) sind eine ganze Reihe der hier beinhalteten Themen im Rahmen von DSA5 schon beschrieben worden (z.B. gibt es viele Doppelungen zu den NSC-Vorstellungen in den Kreaturenbänden). Das ist weniger eine Kritik am vorliegenden Band, sondern eben wieder am Gesamtkonzept von DSA5, das solche Doppelungen quasi provoziert. Umgekehrt stellt das aus meiner Sicht auch die Nützlichkeit des Bandes überhaupt nicht in Frage, im Gegenteil liefert er ja genau das, was mir an den Bänden Aventurische Magie I-III gefehlt hat.  Statt auf trockenen Regelbeschreibungen liegt der Schwerpunkt auf den spielweltlichen Hintergründen, die hier ausführlich und griffig ausgearbeitet werden.

III. Fazit

Rohals Erben ist für mich ein sehr interessanter und lesenswerter Band, der auch jemandem wie mir, der mit Magie noch nie so viel anfangen konnte, das Thema Gildenmagie gut aufarbeitet. Vor allem die Übersichtlichkeit und der logisch strukturierte Aufbau stellen für mich eine Stärke dar, zudem haben viele Inhalte einen sehr direkten Spielwert. Der Mysterienteil ist hingegen für meinen Geschmack viel zu allgemein gehalten und bietet vergleichsweise wenig echte Geheimnisse, zudem ist für mich nicht nachvollziehbar, warum der Band Regelelemente im Bereich der Zaubersprüche enthalt, wenn im gleichen Crowdfunding ein Sammelband erhältlich ist.

Bewertung: 5 von 6 Punkten  

2 Kommentare

    1. Hab es jetzt nicht für jedes Regelelement überprüft, aber gerade nochmal am Beispiel der Zaubertricks mit dem PDF vom Grimorum abgeglichen, die sind alle wortgleich drin und nehmen beispielsweise alleine schon zwei Seiten ein.

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