Rezension: ODL-Vademecum

Vorbemerkung: Im Fokus von Rohals Erben stehen ja sehr allgemein die Gildenmagie Aventuriens und die unterschiedlichen Ausprägungen. Dementsprechend passt es auch, dass hier bei der Vademecum-Reihe ein neuerer Ansatz fortgeführt wird, nämlich die Vorstellung einzelner Orden anstatt der Anhänger einer bestimmten Gottheit.  Das Vademecum des Ordo Defensores Lecturia von Anni Dürr und David Lukaßen ist auch insofern eine logische Wahl, als dass es sich bei den sogenannten Grauen Stäben um die größte Vereinigung aventurischer Magier*innen handelt.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– Preis: 17,95 Euro

– Erschienen am 30.10. 2022

I. Aufbau und Inhalt

Wie immer ist es ein Band aus einer Ingame-Perspektive, in Form einer Art Ratgeber oder Einführung verfasst. Als fiktive Autorin fungiert die Magierin und Archivarin Nariwen saba Zulhamin ay Punin, die ihren eigenen Orden detailliert vorstellt.

Zunächst geht sie dabei auf die Mission des Ordens ein, die aus weit mehr als dem Schutz und der Interessenswahrung der Anliegen der Grauen Gilde besteht, sondern vor allem in der Eindämmung schädlicher Kräfte wie der Bedrohung durch Borbarad und seine Erben. Gerade für diesen Fall werden auch die Mittel profaner und magischer Verteidigung angesprochen, wobei viele der Grundsätze direkt auf Rohal selbst zurückgeführt werden. Auch wenn andere Dinge mehr im Fokus sind, betont Nariwen auch die Forschungsleistungen, die vom ODL erreicht wurden, wobei die unterschiedlichen Niederlassungen verschiedene Schwerpunkte haben (z.B. werden in Lowangen Erkenntnisse zur Magie der Orks und deren Schamanismus gesammelt, während in Anchopal Sternenkunde im Vordergrund steht).

Wie immer wird auch auf die Geschichte des Ordens eingegangen, die ja am Ende der Rohalszeit beginnt, nach der verhängnisvollen Schlacht gegen Borbarad in der Gor. Eine besondere Rolle spielen dabei auch der mittlerweile verschollene Magierstab Rohals und die sogenannten vier Rohalsstäbe, die bis heute den Großmeistern des Ordens zu Diensten sind. Neben den Magierkriegen werden weitere einschneidende Ereignisse genannt, wie die Trennung des Ordens durch die Abkehr der Rohalswächter, die folgende Verbreitung und dann auf die Neuzeit Bezug genommen, die von der Borbaradkrise geprägt ist und von dem Verschwinden des Hochmeistern Tarlisin von Borbra.        

Eng damit hängt auch die Struktur des Ordens zusammen, der von den 4 Stabträger*innen geleitet wird, wobei auch das Prozedere erläutert wird, wie man Großmeister werden kann. Zudem gibt es weitere Ämter wie Kämmerer, Justiziare und Marschälle. Eine Besonderheit ist der Umstand, dass man – so man im Orden selbst aufsteigen möchte – keine Ämter in anderen Organisationen innehaben darf. Wichtig ist umgekehrt, dass zwar eine enge Anbindung an die Graue Gilde besteht, der Orden aber auch über profane Mitglieder verfügt. Konkret trifft man als Ordensmitglieder vor allem sogenannte Graue Garden an, die als gut abgestimmte Gruppen durch die Lande ziehen und die Ordensziele umsetzen. Dazu werden auch die Niederlassungen aufgeschlüsselt mit den jeweiligen Schwerpunkten, auch mit Besonderheiten wie der versiegelten Hochburg Al Rakshaz.

Auch hier gibt es aber Differenzierungen, z.B. durch die Strömungen im Orden repräsentiert, indem sich Zweige verschiedenen Aufgaben widmen, z.B. der Verteidigung der Gilde, der Wissenssuche und auch der Einflussnahme auf weltliche Angelegenheiten sowie der Verfolgung von Feinden mit dem Ziel, sie einer Gerichtsbarkeit zu übergeben. Dazu gehört vor allem eine Betrachtung der Beziehung zur Grauen Gilde im Allgemeinen, bei der es natürlich viel Nähe gibt, aber auch Aspekte der Abgrenzung.

Bei den Insignien des Ordens sind zunächst natürlich die 4 Stäbe der Großmeister zu nennen, aber auch der Magierstab Rohals, der zuletzt von Tarlisin geführt wurde, ebenso wie der Zweihänder Famerlin

Es gibt selbstverständlich auch ein Ordenszeremoniell, das die Aufnahme neuer Mitglieder regelt, aber auch Ernennungen von Amtsträgern. Dazu ist es im ODL auch möglich, eine temporäre Mitgliedschaft innezuhaben. Eine Ausnahmestellung hat die komplexe Ernennung von Hochmeistern, wobei das Amt nicht ohne Grund derzeit vakant ist.

Ein derart wichtiger Orden hat zudem gleichermaßen Verbündete, wie auch Gruppierungen, denen man kritisch bis feindlich gegenübersteht. Während die Graue Gilde naturgemäß dem Orden sehr nahe steht, gibt es eine klare Distanz zur Weißen Gilde, während die Schwarze Gilde eher antagonistisch gesehen wird. Als schwierig wird unter anderem auch das Verhältnis zur Praioskirche benannt und selbstredend auch das zu den Rohalswächtern.

Das letzte Kapitel verlässt wie üblich die Ingame-Perspektive und gibt Anregungen zum Spiel mit Ordensangehörigen. Hier wird dies sowohl für die magiebegabten als auch die profanen Mitglieder aufgeschlüsselt. Genauso wird auch auf die Optionen einer festen Mitgliedschaft und einer solchen auf Zeit eingegangen. Als Spezialfall wird die im Geheimen operierende Einsatzgruppe Rot vorgestellt. Der Band endet zuletzt mit einem Glossar, das die wichtigsten Spezialbegriffe erläutert.

II. Kritik

Erstmal muss ich ein Kompliment an den Band loswerden: Ich hatte bislang nur ein sehr grobes Wissen vom ODL, das sich im Prinzip auf die Schutzfunktion für die Graue Gilde beschränkt hat. Das hat sich nun deutlich differenziert, das Vademecum leistet hier wirklich gute Arbeit darin, den Leser*innen die Vielschichtigkeit des Ordens auf unterschiedlichsten Ebenen näherzubringen. Dabei werden nicht nur nachvollziehbare Zielsetzungen vermittelt, sondern auch eine sehr breite Zusammensetzung unter den Mitgliedern und den einzelnen Stützpunkten.

Gerade das Outgame-Kapitel bestachte ich dabei als gelungen, weil sich hier ausgesprochen vielschichtige Optionen bieten, die eben nicht nur auf magiebegabte Figuren beschränkt sind. Zudem lässt sich gerade hier ein Themengruppenkonzept relativ widerspruchsfrei umsetzen. Auch im Allgemeinen ergibt sich ein Bild, dass -anders als das oft bei den sehr dogmatischen Geweihtenkonzepten der Fall ist – ODL-Mitglieder sehr gut umsetzbar sind als Teil einer Heldengruppe, eben auch, weil sehr deutlich das Profil von Charakteren entwickelt wird, die besonders gruppenkompatibel sind. Gerade die Möglichkeit einer temporären Mitgliedschaft ist eine reizvolle Ausnahme, die mir bisher bei aventurischen Organisationen eher selten bis gar nicht untergekommen ist. Zudem sind die Aufgaben ja in der Gesamtheit wirklich fast deckungsgleich mit dem, was Abenteuer den Spielercharakteren gemeinhin abverlangen: Schutz von Bedrängten (wenn auch hier sehr mit dem Fokus auf die Angehörigen der Grauen Gilde), Sammlung von Erkenntnissen (speziell über Magie) und die Bekämpfung von frevlerischen Missetaten.

Bei einer Beschreibung eines einzigen Ordens habe ich ja zuletzt beim Draconiter-Vademecum eine etwas zu große Kleinteiligkeit moniert. Das ist hier aus meiner Sicht nicht der Fall, in abenteuerlichen Kontexten halte ich die grundsätzlichen Inhalte für absolut relevant. Das hat unter anderem mit der einfachen und nicht allzu komplexen Ordensstruktur zu tun, hier verliert sich der Band erfreulicherweise nicht in langatmigen Details. Allerdings ergibt sich diesmal ein anderes Problem: Für meinen Geschmack sind etwas zu häufig redundante Textstellen vorhanden, so dass – auch bedingt durch die Kapitelstruktur – bestimmte Informationen mehrfach wiederholt werden. Beispiele werden die Gegensätze zu den Rohalswächtern immer wieder erwähnt. Mag das ja noch erklärbar sein, so gilt das aber auch für andere Bereiche, z.B. wenn mehrfach betont wird, dass der ODL Frevler nur der Gerichtsbarkeit zuführt, nicht aber selbst die Richterolle einnehmen will. Genauso wird die Ausrichtung von Ordensstützpunkten mehrfach benannt.        

III. Kritik

Das Vademecum des Ordo Defensores Lecturia gewährt einen guten Überblick über die Aufgaben und Ziele des ODL und skizziert dabei auch ein Figurenkonzept, das sich gut in eine Heldengruppe integrieren lässt. Inhaltlich sind die Texte keineswegs langatmig, sondern konzentrieren sich auf das Wesentliche. Allerdings sind einige sehr redundante Anteile enthalten, indem bestimmte Aspekte häufig wiederholt werden.

Bewertung: 5 von 6 Punkten   

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