Rezension: Mysterien der Winterwacht

Vorbemerkung: Während die generelle Trennung von Hintergrundbeschreibungen und Regelbereichen im neuen Konzept  für die Regionalspielhilfen ein überwiegend sehr positives Echo erfahren hat, wurde die Idee, die Mysterien von der allgemeinen Regionalbeschreibung zu trennen, deutlich kontroverser wahrgenommen. Mysterien der Winterwacht hat das Label eines Spielleitungsbands erhalten und stellt eine Kombination aus den besagten Mysterien und dem bisher separaten Regionalabenteuer dar. In der Debatte vorab konnte ich beide Positionen verstehen, sowohl den Aspekt, dass es ungünstig ist, die Informationen, die mit dem allgemeinen Band eng verknüpft sind, davon zu trennen wie auch den, dass alle Elemente zusammengehören, weil sie der Spielleitung helfen sollen, das Setting auszugestalten. Dies wird sicherlich ein wichtiger Gesichtspunkt in meiner abschließenden Betrachtung sein, daneben geht es aber auch um den reinen Inhalt, also die Qualität des Abenteuers und vor allem die Frage, ob es sich um echte Mysterien handelt oder nur erweiterte vage Andeutungen, wie es sie in einigen der vorherigen Regionalspielhilfen für meinen Geschmack viel zu oft gegeben hat.

In Zahlen:

– 104 Seiten

– Preis: 29,95 Euro

– erschienen am 2.12. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Beide angesprochenen Bereiche nehmen in etwa jeweils die Hälfte des Bandes ein: Auf die Mysterien (und weitere relevante Spielleiterinformationen) folgt das Abenteuer Die Strenge des Winters von Fred Ericson.

Mysterien

Die Mysterien nehmen unterschiedliche Aspekte des Hauptbandes auf, die dort zwar angesprochen, aber in ihren vertieften Hintergründen nicht erläutert werden. Ein zentraler Punkt ist natürlich das Erwachen des Bornlands selbst. Aber auch das Auftauchen der Kräfte des Namenlosen wird um Zusatzinformationen (z.B. neue NSC) erweitert. Gleiches gilt für den Konflikt von Kor- und Rondrakirche und auch damit zusammenhängende Themen wie die Schwerter des Nordens oder die Zukunft der Geflügelten. Auch die anderen Großgruppen wie die Norbarden mit ihrem alhanischen Erbe oder die Goblins werden berücksichtigt. Hinzu kommen noch Geheimnisse von Orten und diejenigen der wichtigen NSC der Region.

Hinzugefügt wurde außerdem die Kapitel Flora und Fauna (mit einem kleinen Bestiarium bz. Herbarium und den benötigten Regelaspekten) und Abenteuer in der Winterwacht (mit generischen Meisterfiguren und ein paar kurzen Abenteuervorschlägen).

Die Strenge des Winters

Das Regionalabenteuer setzt mitten im sogenannten Langen Winter an, in dem es viel länger kalt bzw. eisig bleibt, als es sonst üblich ist. Als die Lage immer bedrohlicher wird (v.a. was die Versorgung der Bevölkerung angeht), beschließt die Perainekirche ein Ritual durchzuführen, in dem Vae Aetherinja, die Seele des Landes, nach den Ursachen des seltsamen Phänomens befragt werden soll. Allerdings wird dazu die Hilfe der Heldengruppe benötigt, da ein wichtiger Bestandteil des Rituals zusammen mit dem Geweihten Vigo verschwunden ist. Dementsprechend sollen sie die Adepta Alwinja von Neersand begleiten, die auf der Suche nach Vigo ist. Gelingt es, besagte Ingredienz aufzufinden, können die Spielercharaktere dem Ritual beiwohnen. Vorab hat dies einen sehr diplomatischen Schwerpunkt, da neben der Perainekirche und der Rondrakirche (die die Verfügungsgewalt über den Ritualort hat) weitere Interessensgruppen teilnehmen wollen, unter anderem Leudara von Firunen als Anführerin der Erleuchteten des Blutes. Hier können sie u.a. als Vermittler auftreten (so dies denn in ihrer Absicht liegt). Das Ritual selbst offenbart dann einige neue Anhaltspunkte, u.a. dass tatsächlich schwerwiegende Dinge im Gange sind und gleichermaßen auch, dass es eine antagonistische Macht gibt, der man sich zwingend entgegenstellen muss.

Im Mittelteil ergibt sich aber zunächst ein Recherchepart, in dem man die vagen Hinweise, die das Ritual ergeben hat, zunächst ausdeuten muss, wozu man diverse Orte und Personen aufsuchen kann. Hier sind grobe Angaben zu den Rechercheorten vorhanden sowie Listen mit erhaltbaren Informationen zu den drei wichtigsten Themenkomplexen. Dazu bieten sich mehrere Ort im Borland als Anlaufstationen an, u.a. Festum, Firunen und Norburg, zudem ist es ratsam, sich mit vielen unterschiedlichen Interessensgruppen auszutauschen, da z.B. nicht nur herkömmliche Horte des Wissens hilfreich sein können, sondern auch die Norbarden oder die Goblins Erkenntnisse beitragen können. Hier werden auch mögliche gegnerische Aktionen skizziert.

In der Summe dürfte sich die Erkenntnis ergeben, dass eine große Gefahr aufgekommen ist, die im Endeffekt nicht nur für das Bornland regionale Bedeutung hat, sondern den gesamten Kontinent betrifft. Es sind allerdings Möglichkeiten vorhanden, diese Gefahr zumindest einzudämmen. Dies leitet dann in ein kampflastiges Finale hin, in dem es u.a. gilt, sich bislang unbekannten Gegnern zu stellen, die bereits beachtlichen Schaden angerichtet hat. Dabei ist man immerhin nicht völlig auf sich allein gestellt, sondern hat einflussreiche Verbündete, die unabhängig von der Heldengruppe ähnliche Schlussfolgerungen gezogen haben.

II. Kritik

Tatsächlich kann ich eine der eingangs gestellten Fragen auch nach der Lektüre von Mysterien der Winterwacht für mich nicht abschließend beantworten: Ich bin nach wie vor unschlüssig, was ich von der Trennung von Hauptband und Mysterien halten soll. Einerseits erscheinen sie mir so eng verknüpft, dass es durchaus Sinn ergeben würde, wenn man beides in einem Band findet. An der Stelle halte ich zumindest das Argument, dass man den Band so ja nicht in Spielerhände geben könne, unter mündigen Erwachsenen für völlig irrelevant, solange die Mysterien eben mit Spoilerwarnung abgetrennt sind, was ja bisher auch immer der Fall war. Der Nachteil ist in jedem Fall, dass man so wieder ein Hin- und Her-Geblättere hat. Anderseits wirkt es für mich grundsätzlich stimmig, all diese Spielleitungsaspekte in einem Band zu haben, gerade auch, weil das Regionalabenteuer derart eng mit vielen der Mysterien verknüpft ist, was es unter diesem Gesichtspunkt wiederum eher konsistent wirken lässt.

Was die Mysterien selbst angeht, bin ich etwas zwiegespalten: Zum einen denke ich, dass diesmal deutlich mehr wirklich relevante Mysterien enthalten sind, als das bisher bei jeder anderen Regionalspielhilfe zu DSA5 der Fall gewesen ist. Besonders wertvoll erscheint mir dabei die Vorstellung der Führungsmitglieder der Güldenen Horde, die als üble Schurken viel Potential haben. Aber auch bei vielen anderen Bereichen werden Ross und Reiter genannt, statt nur vage Andeutungen zu tätigen, z.B. von wem eine Werwolfplage ausgeht, wer legitime Machtansprüche über das gesamte Bornland hat, was aktuell mit den Geflügelten geschieht. Umgekehrt gibt aber auch hier einmal mehr die eher vagen, ungenauen Angaben. Besonders gravierend empfinde ich, dass dies ausgerechnet mit dem Erwachen des Bornlandes den absoluten Kernaspekt des Settings betrifft, für den wieder einmal nur Deutungsmöglichkeiten, aber eben keine Fakten existieren. Wenn der Band den Label eines Spielleitungsbandes erhält, dürfen für mich keine spannungserzeugenden Elemente mehr enthalten sein, sondern die Fakten müssen auf den Tisch. So hat man dann eben leider wieder einmal den Eindruck, dass die Informationen auch deshalb vorenthalten werden, weil das entsprechende Hintergrundkonzept eben auch noch nicht final ausgearbeitet ist. Aber genau das erwarte ich ja, nämlich dass es auch langfristige Planungen gibt und die Redaktion auch schon Ideen hat, wie man diesen Handlungsbogen wirklich inhaltlich füllt. Denn auch das gilt: So reizvoll viele der Mysterien und vor allem die vielen neuen Figuren auch sind, das alles hat dann wenig Wert, wenn es wie bei fast allen vorherigen Regionalspielhilfen so weitergeht, dass die Redaktionsmitglieder und Autor*innen jetzt zur nächsten Region weiterwandern werden und alles, was hier aufgeworfen wird, für Jahre ungenutzt in Vergessenheit gerät.

Ohne größere Einschränkungen sehr positiv sehe ich dafür das Regionalabenteuer. Die Strenge des Winter liefert genau das, was ich mir von einem solchen Abenteuer erhoffe. Zum einen wird ein guter Eindruck vom Setting und den aktuellsten Schwerpunkten gegeben, im Recherchepart ist die Verknüpfung mit dem Hauptband zudem gut gelungen, da man hier eine Reihe von wichtigen Orten aufsucht. Und man trifft jede Menge der NSC, sowohl bereits etablierte als auch solche, die neu sind und/oder in ihrer Bedeutung nachhaltig aufgebaut werden sollen. Dabei stehlen diese NSC der Heldengruppe aber keinesfalls die Show, ohne aber umgekehrt als inkompetent dargestellt zu werden (hier wären Natjescha oder Leudara gute Beispiele).

Zudem gelingt der schwierige Balanceakt, dass das Abenteuer einerseits ja klare Setzungen hat (weil es die Vorbedingungen für die Regionalspielhilfe erst schaffen muss) und bestimmte Faktoren zwingend vorgegeben werden, andererseits aber immer wieder deutliche Optionen vorhanden sind, bei denen das Handeln der Spielercharaktere Auswirkungen hat. Das ist schon im ersten Akt eindeutig der Fall, wenn man z.B. diplomatisch tätig werden kann, in der Frage, wer bei dem Ritual anwesend sein darf. Trifft man hier die richtigen Entscheidungen, kann der Kampf später leichter ausfallen. Und auch in dieser Auseinandersetzung gibt es Anregungen, wie der Einsatz der Gruppe den Ausgang beeinflussen kann. Ebenso ist der sich anschließende Recherchepart sehr offen gehalten. Viele der Anlaufstationen ergeben sich zwar wahrscheinlich recht logisch, trotzdem kann man im Prinzip frei entscheiden, wohin und in welcher Reihenfolge man sich wendet. An einigen Stellen ist der Grat zur Gängelung zwar manchmal recht schmal, gerade was das finale Kapitel angeht, was zumindest bis zum Endkampf auch durchaus sehr szenisch aufgebaut ist, im Grundsatz kann ich es aber nachvollziehen und empfinde es als nicht störend. Wichtig ist hier sicherlich, dass es angeraten ist, eine von den Fähigkeiten her recht breit aufgestellte Heldengruppe zu verwenden, da man sowohl im Kampf, am Verhandlungstisch, in der Wildnis und in wissenschaftlicher Mission tätig ist. Somit kann jede Profession hier sicherlich Glanzlichter setzen. Zudem werden optionale Begleiter*innen angeboten, falls bestimmte Fähigkeiten unterrepräsentiert sind (auch hier mit dem Augenmerk darauf, dass diese sich nicht zu sehr in den Vordergrund stellen). Damit verbunden ist auch ein sehr abwechslungsreicher Aufbau des Abenteuers, mit einem klassischen Auftakt in Form einer Search and Rescue-Mission, dem mystischen Ritual, dem bildungslastigen Rechercheteil und dem militärischen Schwerpunkt des Finales.

III. Fazit

Mysterien der Winterwacht ist ein gelungener Spielleitungsband, wobei das Highlight für mich allerdings eindeutig das gute Regionalabenteuer Die Strenge des Winters ist, das sehr abwechslungsreich gestaltet ist und trotz vieler klarer Setzungen Einfluss der Spielercharaktere zur Genüge erlaubt. Die Mysterien sehe ich deutlich kritischer, hier sind zwar durchaus interessante und relevante Geheimnisse vorhanden, dabei aber ausgerechnet den Kernaspekt des Settings vage zu gestalten, halte ich für einen Kardinalfehler.

Bewertung: 4 von 6 Punkten (wer nur an dem Abenteuer interessiert ist, kann getrost einen Punkt addieren)                                    

5 Kommentare

  1. Wieder vielen Dank für deine gute Zusammenfassung. Das hilft mir sehr bei meiner Kaufentscheidung. 😉

    Ich möchte noch etwas zum Thema „Autor*innen jetzt zur nächsten Region weiterwandern“ schreiben.
    Es ist normal, dass eine Region mit einem Regionalband und ein (oder zwei) Abenteuern erstmal nicht weiter von der Redaktion betreut wird.
    Denn die Redaktion muss die gesamte Produktlinie von DSA weiter schreiben.
    Letztlich wurde in diesem Falle das Bornland als Sandkasten für Spielende vorbereitet und nun liegt es an diesen, die Region mit Leben zu füllen.

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  2. Besten Dank für deine Rezension. Deine positive Bewertung des Abenteuers freut mich sehr.

    Zur Strukturierungsfrage: Ich hab ohnehin alle Bände genommen, daher bin ich da eher kein Maßstab. In meinem Bekanntenkreis gibt es da unterschiedliche Meinungen. Eine, die ich bisher noch nicht im Netz gelesen habe, will ich noch erwähnen:
    Wer bislang Spielhilfe und Abenteuer gekauft hat, aber GM&H sowie die Rüstkammer nicht, und mit den spezifischen Regeln in den RSH (regionale Professionen, Wesenszüge, Langschwert aus Region X) nix anfangen konnte, der ist jetzt besser bedient.

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  3. Mit 4 von 6 Punkten schneidet der Band ja sogar recht gut ab.

    Mysterien haben maximal 1 Punkt verdient. Das Abenteuer 5 bis 6. Also 3 Punkte empfinde ich als gerechtfertigt. 🙂

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    1. An der anstelle würde ich widersprechen: 1 Punkt für die Mysterien ist mir zu extrem, das würde einer Bewertung mit der Schulnote 6 entsprechend, also wäre da gar nichts vorhanden. Ich sehe da durchaus eine Reihe von echten Geheimnissen, mit denen man was anfangen kann, Beispiele habe ich ja im Rezi-Text genannt. Mein Problem ist aber, dass das wichtigste Mysterium nicht für die Spielleitung offenbart wird, sondern wieder einmal in Allgemeinplätze und vage Andeutungen ausgewichen wird.

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