Rezension: Rahjakavaliere-Vademecum

Vorbemerkung: Der Reigen von Produkten mit einem Rahja-Kontext ist tatsächlich immer noch nicht ganz abgeschlossen. Das Rahjakavaliere-Vademecum von Christian Nehling war ganz zur Beginn auch als Bestandteil des Crowdfundings Die Gunst der Göttin angekündigt worden, im weiteren Planungsprozess hat sich dies aber (wie bei einigen anderen Produkten auch) verändert, so dass es nun als einzelner Band erschienen ist. Dabei reiht es sich ein in die Bandkategorie, in der nicht eine Gottheit speziell im Mittelpunkt steht, sondern eine bestimmte Organisation. Auch wenn ich von Rahjaschwerpunkten prinzipiell eigentlich längst übersättigt bin, sehe ich hier durchaus ein interessantes Potential, da die Rahjakavaliere mit Liebe und Kampf zwei Aspekte zusammenbringen, die nicht originär miteinander verbunden werden.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– Preis: 17,95 Euro

– erschienen am 14.12. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Wie immer steht am Anfang zunächst eine kurze Vorstellung des fiktiven Verfassers, bei dem es sich diesmal um den erfahrenen Rahjakavalier Salarino Grimandi handelt. Sein Anliegen ist es, den gleichermaßen kleinen wie jungen Orden in seinen Facetten zu präsentieren. Eine Besonderheit des Laienordens ist dabei, dass es sich ursprünglich um eine Fechtschule aus Belhanka handelte, die dann aber offiziell von der Kirche anerkannt wurde und nun vor allem eine Beschützerfunktion einnimmt.   

Zunächst definiert er die Aufgaben der Kavaliere, die er unter anderem als „Schutzschild“ der Rahjakirche bezeichnet, was sich aber auf weit mehr als reine Kämpferqualitäten bezieht, sondern unter anderem auch mit einem Ehrenkodex verbunden ist, weshalb Etikette auch eine wichtige Rolle spielen. Durchaus betont werden auch leichte Momente, in denen es mehr um das Genießen von Schönheit geht.

Der geschichtliche Abriss umfasst weit mehr als nur die sehr kurze Spanne, seit die Rahjakavaliere als Orden existieren, vielmehr bezieht Salarino auch inspirierende Momente der Vergangenheit oder denkbare Vorläufer ein, was bis in die Dunklen Zeiten zurückreicht und immer Ereignisse beschreibt, in denen sich Personen gefunden haben, die Rahja, ihren Geweihten und ihren Idealen schützend zur Seite gestanden haben. Ein Höhepunkt ist dabei natürlich der Moment der Anerkennung im Jahr 1023 BF durch Gylvana von Belhanka. Als gegenwärtiger Schwerpunkt wird die Queste um die verborgene Gabe genannt, die in der gleichnamigen Kampagne spielbar ist. Bei den bedeutsamen Personen finden sich dementsprechend einige aus der Vergangenheit der Kirchengeschichte, dazu werden auch wichtige Artefakte angesprochen, wie z.B. das geweihte Parier Rosendorn, das u.a. der Ordensvorsteher Tedeo Rahjalieb ya Aranori schon gegen Feinde Rahjas verwenden durfte. Ebenso gibt es Kontakte zu beinahe mystischen Wesen wie der Rosenkönigin Rocanea und der Tierkönigin der Purpurschnecken Porphyra.

Sehr detailliert wird der Aufbau des Ordens beschrieben, verfügt er doch nur über eine einzige Niederlassung, so dass genug Raum vorhanden ist, die wichtigsten Lehrmeister*innen um Tedeo vorzustellen. Ebenso werden hier die Ränge des Ordens skizziert. Ergänzend werden auch die Tugenden genannt, die man als Anwärter mitbringen sollte. Ebenso wird die Fechtschule als Ort beschrieben, sowie der dort stattfindende Alltag, was vielfach quasi dem Lehrplan der Schule entspricht, der neben Fechtlektionen u.a. auch Tanzkurse, Rhetorikschulungen und Einblicke in das Parfümeur-Handwerk beinhaltet. Dabei sollen eine Reihe der angesprochenen Tugenden erworben werden, die ein Rahjakavalier selbstverständlich verinnerlich haben sollte. Zu diesem Zweck rät Salarino eine Schulung der Sinne, aber auch der Sinnlichkeit, die natürlich ein zentraler Aspekt der Rahjaverehrung ist, was auch ein Spannungsverhältnis von Regeln und Entspannung umschreibt. Beispielhaft wird sogar ein genauer Tagesablauf skizziert, ergänzt um kanonische und optionale Lernschwerpunkte.

Gerade ein kämpferischer Orden hat natürlich auch Widersacher, die es zu kennen gilt. Hier werden unter anderem Owalla, die Anhänger des Namenlosen, die oronischen Umtriebe, die Shaz-Man-Yat, Aphasma und die Ilaristen genannt. Betont werden auch deren Laster und verderblichen Methoden. Umgekehrt stehen die Rahjakavaliere den Zwölfen natürlich positiv gegenüber, wobei der Fokus hier auf Orden anderer Glaubensgemeinschaften gelegt wird, die durch sich überscheidende Aufgabengebiete wahlweise Verbündete oder Konkurrenten darstellen können, z.B. die Bannstrahler des Praios, die Ardariten der Rondra, die Golgariten des Boron oder die Draconiter der Hesinde. Hier werden immer Gemeinsamkeiten und Unterschiede genannt. Als Strömungen innerhalb des Ordens werden der Galan der Gemeinschaft, der vor allem interaktive Fähigkeiten pflegt, die Virtuosin der Eindrücke, die auf ihre Kunstfertigkeit bedacht ist, der Kaskadeur der Balance, der sich auf seine Geschicklichkeit verlässt und die Verehrerin der Ranke, die mit ihrem glänzenden Gedächtnis und Wissen arbeitet,  aufgeführt.      

Wie immer folgt zuletzt ein Kapitel, das den Ingame-Bereich verlässt und Hinweise zum Spiel eines Rahjakavaliers gibt. Hier wird vor allem die Affinität zum Kampf und zum gesellschaftlichen Ansehen hervorgehoben. Schwerpunkte sind dabei Gewändervarianten, inklusive Waffen und Rüstungen. Ebenso wird auf Reisemotivationen eingegangen, die in der Regel mit Aufträgen verbunden sind. Zur konkreten Darstellung finden sich einige Typbeschreibungen (z.B. die Gedankenleserin, die durch genaues Beobachten ihrer Umgebung gekennzeichnet ist oder der taktisch orientierte Kommandant, bis hin zu sehr spezialisierten Typen wie der Trickwaffeningenieurin). Eine Besonderheit stellt das Jahr der Besinnung dar, in dem der Rahjakavalier sich frei von spezifischen Aufgaben durch Aventurien begeben kann.

II. Kritik

Ich bin – dessen bin ich mir völlig bewusst – mit vielen der Produkte des Rahjacrowdfundings sehr hart ins Gericht gegangen. Das ist eine Kritik, zu der ich auch stehe, da ich sie als berechtigt ansehe, weil ich in der Summe viel zu viele Mängel sehe. Allerdings möchte ich klar sagen, dass diese Kritik tatsächlich die Einzelinhalte und die gewählten Schwerpunkte betrifft, nicht die Liebesgöttin und ihre Prinzipien als Oberthema. Daraus lässt sich nach meiner Überzeugung einiges machen.

Und genau hier kann ich auch mit meiner Kritik am Rahjakavaliere-Vademecum ansetzen. Bloß hat diese einen völlig anderen Ansatzpunkt, nämlich einen absolut gegenteiligen: Hier bleibt mir tatsächlich nicht viel anderes als ausgiebiges Lob übrig (was ich übrigens viel lieber verteile als harschen Tadel). Dieses Vademecum sehe ich quasi als Musterbeispiel an, wie man eine solche Ordensbeschreibung aufziehen sollte.   

Zweck dieser Textsorte ist es ja, einerseits Einblick in die Glaubensgemeinschaft zu bieten und andererseits Hilfestellungen für das Spiel mit einem solchen Charakter zu liefern. Beides sehe ich als voll erfüllt an, wobei vor allem letzterer Aspekt sehr intensiv geleistet wird. Das liegt sicherlich auch an dem erleichternden Umstand, dass der Orden sehr jung und extrem klein ist. Somit kann vor allem die Beschreibung der Abläufe innerhalb der Fechtschule sehr detailliert geleistet werden: Man hat alle wichtigen Lehrmeister in einer Kurzcharakterisierung, Tagesabläufe in einer groben Schilderung und sogar einem genauen Stundenplan und eine intensive Schilderung der Glaubensgrundsätze. Wer eine solche Figur in Zukunft spielen möchte, findet hier eine große Masse an Informationen über seine Ausbildung, auch sehr breit angelegt.

Generell ist auch die Struktur in allen Bereichen sehr gut gewählt, z.B. wenn das Verhältnis zu den anderen Glaubensgemeinschaften sehr ausführlich in derselben Textmaske skizziert wird, übersichtlich gegliedert nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden oder wenn in der Beschreibung der Typen von Rahjakavalieren im letzten Kapitel sehr anschauliche und plakative Schlagwortbeispiele verwendet werden, was genauso auf die vier Strömungen zutrifft. Ebenso tauchen bestimmte Gemeinsamkeiten als roter Faden in allen Kapiteln auf, wenn z.B. intensiv mit einer klar ersichtlichen Farbmetaphorik zur Veranschaulichung gearbeitet wird oder Tugenden aufgelistet und inhaltlich ausgeführt werden.

Hier gelingt es – was die Rahjathematik angeht – sehr viele Facetten aufzuzeigen, ohne platt nur auf Liebe und Sex zu verweisen. Stattdessen stehen die Rahjakavaliere für viele unterschiedliche Aspekte, z.B. Kampf und Ritterlichkeit, aber auch Kultiviertheit in vielen Bereichen, Nächsten- und Eigenliebe etc., was sich auf in den schon angesprochenen Typen widerspiegelt, was übrigens auch durchaus bestimmte Schwächen miteinschließt, die von Salarino ebenfalls reflektiert werden. Gleichermaßen sind auch viele passende Vorschläge vorhanden, wie man einen Rahjakavalier in eine Spielgruppe einbinden kann, u.a. bietet das Jahr der Besinnung (das quasi eine Art von Sabbatjahr darstellt) eine gute Option.            

III. Fazit

Das Rahjakavaliere-Vademecum ist ein hervorragender Ingame-Band, der den titelgebenden Orten sehr intensiv und detailliert beschreibt und Spieler*innen somit das Führen eines solchen Charakters in seinen Grundlagen und möglichen Prägungen vorstellt, ohne dies zu sehr zu verengen, da viele verschiedene Ideen angeboten werden. Auch im Bereich der Struktur ist der Band sehr anschaulich und übersichtlich gestaltet.

Bewertung: 6 von 6 Punkten

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