Wie war 2023?

Vorbemerkung: Da dieser Jahresrückblick immer den längsten Artikel des Jahres darstellt – und der Output von Ulisses nun mal nicht kleiner wird – beginne ich mit dem Schreiben nicht auf den letzten Drücker, sondern auch in diesem Jahr bereits im November. Und schon jetzt ist die Liste der hier besprochenen Produkte verflucht lang und sie wird sich nochmal verlängert haben, bevor ich den Artikel jetzt eingestellt habe, die letzten Einarbeitungen haben tatsächlich gestern noch stattgefunden. Wie immer ist es ein guter Zeitpunkt, um ein Resümee zu ziehen, immerhin liegen 12 Monate hinter uns, in denen wirklich jeden Monat konstant eine Reihe von Neuerscheinungen paketweise bei mir eingetroffen sind. Im Vordergrund steht dabei nach wie vor die Entwicklungsfrage, die ich jeweils in die Betitelung nehme, stets hoffend auch ein gutes Jahr mit vielen „Krachern“. Grundlage sind meine Bewertungen in den Rezensionen, die ich als Verlinkungen dazugesetzt habe.

Gleich zwei neue Regionalspielhilfen

Eine gute Nachricht will ich gleich an den Anfang setzen. Nach einer längeren Durststrecke gab es 2023 wieder Nachschub auf dem Sektor der Regionalspielhilfen, diesmal sogar in doppelter Hinsicht, sind doch sowohl Das Wüstenreich als auch Die Winterwacht erschienen. Gleichsam verbirgt sich dahinter auch ein Wandel, indem Das Wüstenreich die letzte Variante im alten Gewand darstellte und Die Winterwacht eine Zäsur in der diesbezüglichen Publikationsstrategie eingeleitet hat.

Zu einem überwiegend positivem Gesamtfazit bin ich dabei im Fall der Khom-Spielhilfe gekommen. Das Wüstenreich ist aus meiner Sicht eine gelungene Spielhilfe, die einen massiven Wandel in vielen Bereichen bedeutet, u.a. im Metaplotbereich, in dem neue Gefahren in der Khom aufkommen, die gleichsam aber auch einen gesellschaftlichen Umschwung mit sich bringen, der unter anderem eine andere Definition der Geschlechterverhältnisse zur Folge hatte. Dies ist in der Community durchaus kontrovers diskutiert worden, findet aber meine absolute Zustimmung, auch weil ich viele neue Impulse sehe. Sehr eng ist auch die Konsistenz der Begleitprodukte, indem das Heldenbrevier des Wüstenreichs zwei der zentralen Protagonist*innen des Settings vorstellt und narrativ spannend den Anfang einer Ereigniskette aufzeigt. Dies findet sich auch in der Rüstkammer des Wüstenreichs wieder, in der intensiver als zuvor Ereignisse Einfluss auf die beinhalteten Ausrüstungsgegenstände hatten. Auch das Regionalabenteuer Königin der Tränen ist Teil dieser Vernetzung, indem das wichtigste Ereignis des „neuen“ Wüstenreichs hier spielbar ausgestaltet wird, allerdings bin ich hier mit der Machart des Abenteuers leider weniger zufrieden, da ich viel zu enge Handlungsschienen sehe, die für mich zu wenig Einfluss auf den Ausgang zulassen. Eine zusätzliche Ergänzung stellt das Rastullah-Vademecum dar, in dem sich viele Ansätze finden, in denen die Glaubensgemeinschaft modernisiert werden kann, was mir manchmal aber auch etwas zu diskurshaft ausgefallen ist. Eine sehr starke Folgepublikation ist Zukunft im Sand, indem die Anthologie drei weitere Abenteuer im Wüstenreich bzw. Thalusien bietet.

Eine neues Konzept verfolgt Die Winterwacht. Erstmals wird hier eine Trennung der Hintergrund- und Regelelemente vollzogen. Somit ist Die Winterwacht eine regelfreie Hintergrundbeschreibung des Bornlands, was ich ausdrücklich begrüße. Aber auch inhaltlich bin ich zufrieden, denn auch hier werden konsequent Änderungen des Settings betrieben, indem das Erwachen des Bornlands zum dominanten Thema wird, das spürbare Auswirkungen auf die Gesamtregion hat, ebenso wurden die Folgen der Theaterrritter-Kampagne eingearbeitet, aus der neue Bedrohungen erwachsen sind. Selbiges wird ebenso vorbereitend begleitet durch das spannende Heldenbrevier der Winterwacht, in dem einige ungewöhnliche Protagonist*innen versuchen, gegen den Langen Winter vorzugehen, unter dem das ganze Land leidet. Ebenso widmet sich das Abenteuer Die Strenge des Winters den neuen Bedrohungen und setzt diese gut und effektreich in Szene. Dies geschieht in der neuen Konzeption, indem das Abenteuer unter dem Titel Mysterien der Winterwacht erstmals zusammen mit den Mysterien in einem Spielleiterband zusammengefasst wird. Hierbei dominiert aber für mich die Qualität des Abenteuers die Mysterien, die ich mir tiefergehender gewünscht hätte. Die Regelelemente sind nun gesammelt in Helden der Winterwacht, das allgemeine Regeln mit der ehemaligen Rüstkammer verbindet. Auch wenn ich den Regelbereich weniger reizvoll finde, halte ich diese neue Kombination für ausgesprochen sinnvoll. Anders als beim Wüstenreich ist hier zudem ein Crowdfunding die Grundlage gewesen, womit eine Reihe weiterer Produkte entstanden sind. Das Kompendium der Winterwacht liefert dabei ein gelungenes Sammelsurium von vielen (Kurz-)Abenteuern, Schauplatzbeschreibungen und Kurzgeschichten, die viele Mehrwerte beinhalten. Das Vademecum des Widderordens hat ebenfalls eine ungewöhnlich intensive Anlehnung an den aktuellen Metaplot, indem die Aufgaben des Ordens sich durch das Erwachen und neue Feinde verändert haben. Das halte ich für einen guten Ansatz, mehr Aktualität einfließen zu lassen. Das Mokoscha-Vademecum gewährt einige Einblicke in das Leben der Norbarden und insbesondere ihren Glauben, ist mir aber oft etwas zu mystisch und zu allgemein gehalten.                

Erneut auf Rahjas Spuren

Die Winterwacht war aber nicht das einzige Crowdfunding des abgelaufenen Jahres, womit ich auf das große Reizthema 2023 zu sprechen kommen möchte. Wohl kaum ein Thema hat für so viele Diskussionen gesorgt wie Die Gunst der Göttin. Dabei gab es schon im Vorfeld viele Bedenken, ob das Thema Rahja und Liebe nicht bereits erschöpfend behandelt worden ist und leider hat das Ergebnis diese Befürchtungen nachhaltig bestätigt, für mich handelt es sich in vielerlei Hinsicht um ein Vorhaben, dass man seitens Ulisses besser unterlassen hätte. Die Gründe dafür sind vielfältig und lassen sich schwerpunktmäßig an einzelnen Bänden festmachen. Das beginnt mit dem durchaus ordentlichen Kernband Rahjas Gunst, indem durchaus viele Informationen über den Rahjaglauben vorhanden sind, der allerdings einmal mehr von vielen unnötigen Doppelungen geprägt und nicht immer thematisch passend und intuitiv angelegt ist. Im Kompendium der Gunst der Göttin wurde zu großen Teilen altes Material recycelt und an anderen Stellen fehlt angekündigtes Bonusmaterial. Als gravierend schlecht würde ich Amaziella Bosvanis Bordellführer bezeichnen, wobei offenkundig an Lektorat und Korrektorat gespart wurde, so dass der Band die Unterstützer*innen in einem inhaltlich und formal inakzeptablen Zustand erreicht hat. Eher durchschnittlich schätze ich einige andere Bände wie die beiden Abenteueranthologien Rosenduft und Bühnenspiel und Lotosblüten und Visionen (wobei das Soloabenteuer Nachts auf dem Silberberg gleich mehrere falsche Abschnittverweise enthält), das Mini-Soloabenteuer Die Khabla-Chroniken sowie die Kurzgeschichten-Anthologie Stunden der Sehnsucht ein. Von den Schwerpunkten enttäuscht hat mich das Levthan-Vademecum, das für meinen persönlichen Geschmack zu sehr auf plakative Inhalte setzt. Letzteres ist für mich auch ein allgemeiner Kritikpunkt an dem Gesamtcrowdfunding, denn ich sehe in zu vielen Produkten (die beiden Hauptbände explizit ausgenommen) entgegen den vorherigen Ankündigungen viel zu viele Inhalte, die sehr an Wege der Vereinigungen erinnern und den Faktor Sex sells. Als größte Enttäuschung – gemessen an meinen Vorerwartungen und auch an dessen Potential – betrachte ich aber den zweiten Hauptbestandteil, den Kampagnenband Die verborgene Gabe. Die an sich gute Grundidee eine Queste auf den Spuren vieler Elemente der Rahjakirche wird leider nur in den drei längeren Abenteuern konsequent umgesetzt, dafür fehlt eine sinnvolle Rahmenhandlung und die vielen Kurzabenteuer sind gänzlich uninspiriert gestaltet, zudem wird auch hier massiv auf Doppelungen gesetzt. Etwas heraus ragt für mich die Spielhilfe Rahjas Diener, weil mir die Idee eines Personenbandes gefällt, allerdings sind auch hier die Charaktere teilweise etwas einseitig gewählt.

Unterm Strich ist die Bilanz hier aus meiner Sicht verheerend, eine derartige Sammlung von inhaltlichen und formalen Mängeln in einer einzelnen Produktreihe ist mir in dieser Form in 10 Jahren Dereblick bislang nicht untergekommen. Erschwerend kommt hier noch der Umstand hinzu, dass eine Reihe der Mängel anhand der Vorab-PDF von den Unterstützer*innen erkannt und rückgemeldet wurden und daraufhin vom Verlag Besserung vor Auslieferung gelobt wurde, was dann aber nur in einem nennenswerten Bereich (dem Füllen von vorhandenen Leerstellen in Rahjas Diener) erfüllt wurde.    

Immerhin erfolgte hier eine nachträgliche Aufbesserung: Ulisses hat den Unterstützer*innen kostenlos zwei weitere Hefte zukommen lassen, die einige der Kritikpunkte korrigieren. Paläste der Pracht liefert die fehlenden Bonusinhalte des Kompendiums nach (hat aber für mich Schwächen als eigenständiger Band) und das hervorragende Meisterset Die Verborgene Gabe erreicht es sogar, die Kampagne so aufzuwerten, dass ich sie mit diesem Bonusmaterial als sehr reizvoll ansehe.

Spielhilfen

Im Regelbereich stand das Jahr sicher v.a. im Zeichen der Bündelung. Nach längerer Planung sind die ersten Kodex-Bände erschienen, in denen die alten Regelbände kompakt zusammengeführt werden. Die ersten beiden Bände, der Kodex der Magie und der Kodex der Helden, sind in meiner Perspektive ein nachhaltiger Beleg dafür, dass DSA5 für Vielfalt in den Möglichkeiten steht, seine Charaktere auszugestalten, allerdings dabei oft auch erdrückend wirken kann. Kritik kam an beiden Bänden allerdings auch in der Frage der Umsetzung von Feedback auf. Besser ist dies im Fall des Kodex des Schwertes gelungen, der dementsprechend eine längere Phase der Überarbeitung (und Verzögerung) erfahren hat. Eine kleine Erweiterung ist zudem mit Achaz – Schuppenkleid und langer Zunge erschienen, mit deren Hilfe Achaz als spielbare Charaktere ermöglicht werden, allerdings nur in einer sehr basalen Form. Etwas ungünstig ist zudem, dass der Band weitgehend inhaltlich in den Kodex-Bänden aufgegangen ist.

Rohals Erben hat mit Das Geheimnis der Zauberschüler-Heldenpack etwas zusätzliches Material erhalten, indem sich hier ausgearbeitete Charaktere finden, mit denen man sich in das Schulleben der Magierakademie stürzen kann. Die Figuren erscheinen mir passend gestaltet und sind auch insofern nützlich, als dass solche Charaktere ja nicht dem üblichen Repertoire entsprechen, die man normalerweise für DSA generiert.

Die Reihe der Ingame-Bande setzt zudem der Almanach der Ungeheuer fort, indem hier einige fiktive Experten besonders gefährliche Kreaturen vorstellen. Die Denkweise der Aventurier ist in Ergänzung zu den normalen Spielhilfen absolut eine Bereicherung, allerdings halte ich die Wahl von mehreren Autoren für teils eher ungünstig, da sich einige Ideen schnell abnutzen, z.B. eine Art Gelehrtenstreit, der in den Texten ausgetragen wird.  

Körperlose Schrecken reiht sich in die Riege der DSA-Kreaturenbände ein und wandelt auf unheimlichen Pfaden, indem nun alle möglichen Geisterwesen präsentiert werden. Hierbei gefällt mir vor allem der Aspekt, dass es sich dabei um keine x-beliebigen Wesen handelt, sondern sehr individuelle Kreaturen, um die herum sich leicht eigene Abenteuer kreieren lassen.   

Als extrem stark habe ich das am Jahresende erschienen Rahjakavaliere-Vademecum wahrgenommen. Die titelgebende Organisation wird hier als ausgesprochen reizvoll beschrieben, wobei die vergleichsweise junge Ordensgeschichte einen sehr detailreichen Fokus ermöglicht, wodurch quasi eine komplette Hintergrundbeschreibung für ein Ordensmitglied entstanden ist.

Gleiches gilt für Kaiser Retos Waffenkammer. Eigentlich hatte ich eine Art Rüstkammer mit historischen Waffen erwartet, stattdessen liegt der Schwerpunkt genauso auf der Darstellung der Geschichte des Mittelreichs, was sehr unterhaltsam aufgebaut ist. Dazu sind die beschriebenen Waffen auch noch einsetzbar, was dem Band auch einen konkreten Spielwert verleiht.

Mit dem Divinarium Liturgia haben nach den Magiewirkern nun auch die Geweihten einen Band mit allen Liturgien und Zeremonien erhalten. Wie bei dem Magiependant ist dabei allein optisch wieder ein wunderschönes Buch herausgekommen. Aber auch der Nutzwert ist sehr hoch einzuordnen, da hier ebenfalls eine wichtige Bündelung dessen stattfindet, was bisher auf mehrere Bände verteilt gewesen ist.

Abenteuer

Mit Das Tal des Todes wurde auch das letzte der damaligen DSA5-Testabenteuer in einer überarbeiteten Version veröffentlicht. Es bleibt weiterhin ein spannendes Abenteuer mit Indiana Jones-Flair und einigen Wendungen, schade finde ich hingegen, dass im Rahmen der Überarbeitung einzig ein Regelfokus gewählt wurde, somit fehlen mir inhaltliche Mehrwerte.

Auch Dryadenholz knüpft an die Anfänge der 5. Edition an, indem es ein Auf ins Abenteuer-Szenario für Andergast darstellt. Die vorgefertigten Charaktere müssen sich dabei einer Gefahr im Quellgebiet des Ornib stellen. Die Handlung ist dabei einsteigergerecht, allerdings im Ganzen auch etwas unspektakulär ausgefallen.

Die Anthologie Gehörnte Gefahren kombiniert drei Abenteuer, deren Bindeglied die titelgebenden gehörten Wesen sind. Dabei sind drei spannende Szenarien entstanden, denen man aber stellenweise die Herkunft als eigentlich geplante Heldenwerke anmerkt, indem das eine oder andere Detail etwas grob ausgearbeitet ist. Noch etwas besser gefällt mir die zweite Anthologie des Jahres, Göttersplitter. Hier sind deutlich epischere Handlungsstränge erzeugt worden, indem an verschiedenen Orten Bedrohungen aus der gleichen Schlagrichtung entwachsen, einzig die etwas konstruierte übergreifende Handlung überzeugt mich nicht so sehr.

In Heldenwerk-Länge kommt das Con-Abenteuer Frevlerwacht daher und setzt dabei erstmals seit längerer Zeit auch die Zwerge wieder in den Mittelpunkt einer Handlung. Dabei ist ein gutes Dungeon-Abenteuer entstanden, das vor allem viele Herausforderungen bietet und kluges Handeln mit passenden Belohnungen versieht.

Heldenwerke

Hier hat das Jahr mit In Stein gemeißelt aus meiner Sicht gut begonnen. Die rauen Sitten der Bewohner der Windhagberge werden gut in Szene gesetzt, vor allem auch durch eine gute Story, in der es unter anderem gilt, das dortige Rechtsempfinden kennenzulernen. Im weiteren Verlauf wird das mit einer gelungenen Reiseetappe und einem ungewöhnlichen Ziel verbunden, das für einen atmosphärischen Showdown sorgt.    

Das Geisterkrokodil hingegen versetzt die Helden in südlichere Gefilde, indem es gilt, in eine Seidenplantage einzudringen und eine wertvolle Sklavin zu befreien. An dem Abenteuer gefällt mir vor allem die Handlungsfreiheit, die gewährt wird, was durch eine gute Schauplatz- und Figurenausarbeitung erreicht wird.

Mondsilberner Schleier stellt eine Auseinandersetzung der Mada Basari mit einer konkurrierenden Organisation in den Mittelpunkt. Die Grundidee daran gefällt mir gut, allerdings ist die Umsetzung aus meiner Sicht sehr oberflächlich, was u.a. die Rechercheanteile angeht, aber auch das etwas uninspirierte Finale betrifft.  

Auf Heist-Atmosphäre setzt Die Akte Ilumkis, da man darin den Auftrag erhält, einige Dokumente aus der Nordlandbank zu entwenden, in die bislang noch niemand erfolgreich einbrechen konnte. Das Abenteuer ist sehr offen angelegt und gerade die räumlichen Gegebenheiten und die Figuren sind gut ausgearbeitet.

Wellen von Wert knüpft gemäß seinem Charakter als Jubiläumheft Nr. 50 an die Handlung eines Solo-Klassikers an. Darin gilt es einen Diebstahl aufzuklären, wobei vor allem die Figurenriege überzeugen kann, mit denen man umfangreiche Verhöre abhalten kann, einige Details des Verbrechens empfinde ich aber als nicht unbedingt schlüssig. 

Einen ungewöhnlichen Abschluss stellt zuletzt Magica Lucis dar, indem man sich auf der Insel Jiliskan eines Problems der Praioskirche annehmen muss, wobei sich die religiösen Aspekte zusätzlich mit einem politischen Intrigenspiel vereinigen. Dabei entwickelt sich eine herausfordernde Handlungskonstellation, gerade am Ende werden für meinen Geschmack aber etwas zu viele Schienen ausgelegt und somit ein eher unflexibles Ende erzeugt.

Das Heldenwerk-Archiv VII ist einmal mehr eine vielseitige Zusammenfassung von Heldenwerk-Abenteuern des Vorjahres. Ein Vorteil ist, dass es sich diesmal um einen relativ starken Jahrgang mit einigen überdurchschnittlich guten Vertretern der Kurzabenteuer handelt, allerdings überzeugt mich das Bonusmaterial nur bedingt.

Romane

Einen sehr starken Eindruck hat Expurgico hinterlassen. Der Roman orientiert sich an unterschiedlichen Etappen der Lebensgeschichte des sterbenden Magiers Karjunon Silberbraue, der selbst nach den Maßstäben der Schwarzen Gilde eine Art Enfant terrible darstellt. Dabei werden einige Episoden der jüngeren Geschichte durchschritten und gleichzeitig zeichnet sich ab, dass das Finale die eine oder andere Wendung erzeugen wird.  

Die Anthologie Süße Gelüste ist ein Spätfolger des Rahja-Crowdfundings, demzufolge handelt es sich einmal mehr um Geschichten mit amourösen Schwerpunkten. Auch wenn sich das Thema für mich etwas abnutzt und einige der Kurzgeschichten eher beliebig wirken, sind auch durchaus einige sehr unterhaltsame Texte enthalten.

Sicherlich ragt aber in Sachen Erwartungshaltung König der Meere heraus, hat der Roman doch die nicht gerade kleine Aufgabe, die 12bändige Romanumsetzung der Phileasson-Saga zu einem gelungenen Abschluss zu führen. Aus meiner Sicht ist das auch der Fall, indem manch tragischer Abschied vollzogen wird und trotz einiger Längen ein spannender Showdown stattfindet, der insbesondere die beiden Hauptfiguren ein letztes Mal ins Rampenlicht setzt.

Hörspiele

In diesem Bereich war 2023 eher mäßig ergiebig, bedingt durch eine längere Unterbrechungsphase zwischen zwei Staffeln. So begann das Jahr mit Marbos Gnade, dem Abschluss der 3. Staffel. Hier gelang für mich zwar atmosphärisch durchaus der Ausklang der vorherigen Ereigniskette, allerdings bleiben auch einige Plotstränge offen. Uneingeschränkt gefallen hat mir dafür kürzlich der Auftakt der 4. Staffel. In Auf der Fährte des Freundes folgt die Gruppe einem Freund auf Abwegen, was auch seine tragischen Momente hat, aber vor allem eine weitere Steigerung mit sich bringt, was die Umsetzung Aventuriens im Hörspiel angeht, hier gibt es immer mehr Wiedererkennungswert. Abseits davon bleibt mir für das hohe Produktionsniveau in Sachen Sound, Technik und Sprecherleistungen weiterhin nur großes Lob.

Die Schwarze Katze

Mit Donnerbach und den Salamandersteinen wurde ein weiteres größeres Setting erschaffen, womit nun drei lokale Schwerpunkte existieren. Schleichender Verfall als Kernband stellt diese Region genauer vor und findet in der titelgebenden Verfallsthematik einen zentralen Konflikt, der sich hier nicht zwischen Spezies abspielt, sondern im Bereich des religiösen Umgangs mit dem Erwachen. Wiederum halte ich es für eine gelungene DSK-Erweiterung, wobei gerade die Kombination von Stadt- und  Wildnisanteil einen neuen Impuls gibt. Erweitert wird dies noch durch Jenseits des Wasserfalls, in dem die weitere Umgebung aufgearbeitet wurde, mit einem starken Fokus auf das unheimliche Nebelmoor. Gerade dort gibt es aus meiner Sicht viel Faszinierendes zu entdecken. Das Bestiarum – Schleichender Verfall stellt dementsprechend viele Wesen vor, die man vornehmlich in der Wildnis antrifft und setzt zudem einen Fokus auf Feenwesen, wobei mir im letzterem Bereich mehr Details statt breiter Beschreibungen lieber gewesen wären. Lebendig wird dies in dann in der Abenteuer-Anthologie Aphasmas Boten. Hier gefällt mir neben den guten Handlungen auch, dass sehr variable Lösungsmöglichkeiten angeboten werden. Narrativ angereichert wird das Setting in dem Heldenbrevier Spurlos verschwunden. Die drei Protagonisten wandeln darin auf den Spuren einer Art Agentengeschichte, wobei mich gerade die humorigen Passagen angesprochen haben, während ich das Ende etwas zu unspektakulär empfinde. Auch in diesem Crowdfunding sind wieder einige Bonusziele hinzugekommen, die sich im Wesentlichen im Donnerbach-Kompendium finden. In der Zusammensetzung wirkt der Band auf mich etwas willkürlich, dafür sind auch Highlights wie ein längeres Abenteuer enthalten.

Daneben gibt es seit Jahresbeginn aber auch abseits der Crowdfundings regulären Nachschub, in Form der sogenannten Pfotenwerke, die analog zu den DSA-Heldenwerken als Mini-Erweiterungen erscheinen, allerdings aktuell nur in einer PDF-Variante. Den Auftakt stellte dabei Ein Fest in Fasar dar, in dem sehr opulent der Rahmen eines unterirdischen Rennens beschrieben wird, was dann später in Ein Rennen in Fasar fortgesetzt wird, wo das Rennen dann in modularer Form umgesetzt wird.  Aus fernen Ländern stellt eine Gemeinschaft von Zirkusleuten vor, unter denen auch unerkannt einige Erwachte leben. Auch dieses Pfotenwerk wird von der Folgepublikation Was ein Zirkus aufgegriffen, in der der Hintergrund dann aufgegriffen und in eine konkrete Abenteuerhandlung umgemünzt wird, in der die Erwachten aus dem Zirkus mit einer Diebstahlserie verbunden werden. Angereichert wird dies auch durch die Spielhilfe Zirkuserwachte, die es ermöglicht, auch eigene Figuren aus einem Zirkusumfeld zu erstellen. Die Spielhilfe Reiten und Kutschen fällt mir hingegen inhaltlich etwas zu mager aus, indem mir zu wenig Aspekte mit Titelbezug beinhaltet sind. Das Abenteuer Die Drei Streuner versetzt die Heldengruppe in einen Konflikt der Feen mit den Erwachten Havenas. Das ist atmosphärisch gut umgesetzt, an manchen Stellen in der Recherche aber zu gradlinig angelegt. Überlandreisen beschäftigt sich als Spielhilfe mit der Frage, wie Erwachte größere Distanzen zurücklegen können. Das passt natürlich zu dem Umstand, dass die bisherigen DSK-Settings sehr weit auseinanderliegen, allerdings sind die Ausarbeitungen der Fortbewegungsmittel sehr knapp ausgefallen.

Ein weiteres Novum stellt zudem Im Reich der Königinnen dar. Der Band kombiniert Spielhilfeanteile mit dem bislang längsten DSK-Abenteuer. Niriansburg ist dabei ein sehr atmosphärischer Schauplatz und das Abenteuer hat teilweise sehr epische Momente, was ich unterm Strich als eine absolute Bereicherung wahrnehme.

Fanwerk

Auch hier kann ich klar sagen, dass ich wieder einige sehr schöne Beispiele für die Kreativität der Fanszene gefunden habe. Ein erstes Beispiel ist das Abenteuer Die Rache des Spinnengötzen, ein spannendes Krimiabenteuer mit einer sehr umfangreichen Personenkonstellation, das auch in seiner Machart sehr professionell wirkt, lediglich in der Ordnungsstruktur der Informationen und Abläufe nicht immer ganz intuitiv ist. Gleiches gilt für Auf kleiner Flamme, das ich für ein sehr gutes Einstiegsabenteuer mit Gruselanteilen halte, in dem es gilt, ein altes Geheimnis aufzudecken, das eine kleine Dorfgemeinschaft belastet.

Sehr gefreut habe ich mich über das neue Soloabenteuer von Steve Barnes. Schwanzspitze setzt den Spielcharakter auf die Spuren des Asfaloth-Splitters, wobei man mit illustren Figuren wie Rakorium und Nottel interagieren kann und von Khunchom bis nach Maraskan reist. Dabei kommt trotz viel Ernsthaftigkeit auch der Humoranteil nicht zu kurz.  

Auch Anton Weste hat sich in letzter Zeit auf nichtoffizielle Publikationen fokussiert. Ein Resultat davon ist Aventurische Hexenzirkel. Dabei erhält man eine Übersicht über die verschiedenen Hexengruppen des Kontinents mit den unterschiedlichen Schwerpunkten. Aus meiner Sicht ist dabei eine sehr nützliche und gut geschriebene Übersichtsdarstellung entstanden.

Etwas anders als ursprünglich geplant erscheint das ehemalige Großprojekt Aventurische Mode. Anstatt einer Gesamtpublikation werden nun kleinere Spielhilfen mit dem Fokus auf Einzelregionen veröffentlicht. Aventurische Mode – Andergast zeigt dabei das Potential und kann unter anderem mit vielen Detailkenntnissen zum Thema überzeugen.     

Eine neue und innovative Idee stellt Don Scipione Vincetta – ein NSC in Bild und Ton dar, indem hier eine Unterweltgröße auf Drol sehr ausführlich ausgearbeitet wurde. Dabei finden sich nicht nur eine Hintergrundbeschreibung und die Werte, sondern auch viel Bild- und Spielmaterial, sowie ein kleiner Soundtrack und ein animiertes Charakterporträt.  

Auch zu DSK gibt es mittlerweile Fanwerk, im Fall von Katzenjammer sogar in der gedruckten Form eines Fanzines (entstanden im Rahmen eines Fanzines-Wettbewerbes von System Matters). Das Heft vereinigt eine gute Mischung aus unterschiedlichem Material, z.B. in Form von Spielhilfen und einem Abenteuer, aber auch narrativen Inhalten.

Fazit              

Wer es geduldig bis hierher geschafft hat (was sicherlich einige Minuten Lesezeit gekostet hat), dürfte bereits festgestellt haben, dass es in Sachen Output und somit Quantität überhaupt nichts zu bemängeln gab: DSA ist auch 2023 immer noch ein Rollenspiel, das stetige Erweiterung erfährt, jeden Monat kommen mehrere neue Bände raus und damit wird wahrscheinlich sogar mehr Spielmaterial erzeugt, als die Mehrzahl der Spielgruppen zeitgleich bewältigen kann. Dabei kommen stattliche Ergebnisse zustande, immerhin wurden gleich drei große Crowdfundings ausgeliefert (Die Gunst der Göttin, Die Winterwacht und für DSK Schleichender Verfall). Auch im Bereich der längere Zeit brachliegenden Regionalspielhilfen wurde in diesem Jahr wieder Fortschritt erzeugt, indem man seine Heldengruppen nunmehr in modernisierte Varianten des Wüstenreichs und des Bornlandes entsenden kann.

Gerade letzteres gehört mit Sicherheit zu den uneingeschränkt positiv zu wertenden Aspekten des Jahres. Vor allem kann man Ulisses sicher keinen Mangel an Innovationsbereitschaft vorwerfen, beide Regionalspielhilfen bringen große, umfassende Settingveränderungen mit sich. Das Bornland wird von gleich mehreren Begleitphänomenen des Erwachens ordentlich durchgeschüttelt und im Wüstenreich sind Änderungen ersichtlich, die ganz offenkundig eine gewisse Modernisierung mit sich bringen sollen, gerade was die Einsetzbarkeit von weiblichen Charakteren und die Darstellung des Rastullah-Glaubens betrifft. Das ist umgekehrt auch etwas, was unübersehbar polarisiert und zu einigen Diskussionen geführt hat. Ich stelle mich an dieser Seite ausdrücklich auf die Seite derer, die das befürworten. Das bedeutet nicht, dass ich mit allen Ausprägungen einverstanden bin, gerade die Umsetzung einer neuen Gefahr im begleitenden Abenteuerband Königin der Tränen konnte mich im Abenteuerdesign nicht überzeugen. Bei der Winterwacht wird es sicher viel Diskussionsbedarf über die neue Aufteilung der drei Kernbände geben. Diese Debatten kann ich auch durchaus nachvollziehen und sehe mich da etwas in der Mitte, indem ich die Auslagerung von Regel ausdrücklich begrüße, während ich die Trennung der Mysterien vom Hauptband nicht ganz günstig empfinde. Hier kann ich die Argumentation von Ulisses aber trotzdem akzeptieren. Mein Fokus liegt ohnehin eher auf der inhaltlichen Gestaltung und in dieser Hinsicht bin ich mit dem „neuen“ Bornland sehr einverstanden und sehe sehr viel Potential in der Region. Generell betreiben beide Spielhilfen und die Begleitabenteuer viel Metaplotentwicklung, etwas, was ich über Jahre zumindest in dieser Intensität vermisst habe.

Und trotzdem ist 2023 ein sehr durchwachsenes Jahr gewesen. Das hat im Kern einen Grund: Die Gunst der Göttin – das mit Abstand umfangreichste Produktpaket des Jahres – ist leider in meinen Augen ein enormer Fehlschlag. Und das liegt nur zum Teil daran, dass aus meiner Sicht das Thema Liebe und Erotik eigentlich schon völlig abgearbeitet ist. Ebenso ist nicht hauptursächlich, dass ich zu viele Bände – insbesondere die Abenteueranthologien und das Levthan-Vademecum – zu sehr in der Tradition von Wege der Vereinigungen sehe und inhaltlich oft als viel zu platt, albern und plakativ auf Sexualität fokussiert wahrnehme.

Stattdessen geht es um die Tatsache, dass gleich mehrere Bände in einem Zustand an die Unterstützer*innen herausgingen, die bei einer auch nur ansatzweise akzeptablen Qualitätskontrolle niemals an Leute ausgeliefert werden durften, die dafür im Rahmen eines Crowdfundings in finanzielle Vorleistung gegangen sind, ergo einen Vertrauensvorschuss gewährt haben. Namentlich geht es um drei Bände: Der Kampagnenband Die verborgene Gabe ist in seiner Bandversion (ohne unten erwähnte Ergänzungen) völlig inkonsistent, nur die drei Langabenteuer sind gut, alle Kurzabenteuer haben im Prinzip keine wirkliche Story und hängen überhaupt nicht zusammen, sondern bestehen nur aus Füllmaterial mit enormen Doppelungen (teils zu anderen Crowdfundinginhalten), auch wurde keine echte Rahmenhandlung entwickelt. In diesem Zustand hat man eine Kampagne, die nur aus Versatzstücken besteht. Das Soloabenteuer Nachts auf dem Silberberg weist gleich mehrere falsche Abschnittverweise auf, die es im ausgelieferten Zustand eigentlich unspielbar gestalten. Die Krönung dieses extrem schlechten Eindrucks aber stellt leider der Ingame-Band Amaziella Bosvanis Bordellführer dar. Hier sind die Texte nicht nur teils völlig uninspiriert und widersprüchlich verfasst worden, vielmehr scheint überhaupt kein Lektorat bzw. Korrektorat stattgefunden zu haben. Es darf nicht passieren, dass ein Band mit weit über hundert Fehlern in den Bereichen Grammatik, Syntax und Rechtschreibung die Qualitätskontrolle passiert. Hier muss ich leider sagen, dass trotz durchaus vorhandener Lichtblicke das gesamte Crowdfunding einen der Tiefpunkte für mich darstellt, seit ich diesen Blog betreibe. Meine Enttäuschung verstärkt hat dabei der Umstand, dass nicht wenige der Kritikpunkte bereits anhand der Vorab-PDF erkennbar waren und auch rückgemeldet wurden, allerdings nur im Fall von Rahjas Diener darauf angemessen reagiert wurde. Hier hoffe ich, dass sich so etwas nicht wiederholt und in Zukunft eben bei einer solchen Situation anders gehandelt wird und nicht einfach trotzdem veröffentlicht wird, sondern – auch wenn das wirtschaftlich sicher weh tut – sich nochmal die Zeit genommen wird, die es braucht, um das Produkt in einem akzeptablen Zustand auszuliefern. Das dürfte zudem allemal günstiger sein als am Ende, wie hier geschehen, kostenfreie Nachbesserungen herausgeben zu müssen. Hier muss ich umgekehrt natürlich lobend hervorheben, dass das sehr starke Meisterset Die verborgene Gabe wirklich das Maximum an Ausbesserung leistet und damit zeigt, welches Potential wirklich in einer Rahja-Kampagne steckt.    

Man merkt schon an der obigen Auflistung, dass 2023 insgesamt eher im Zeichen der großen Kompaktpublikationen gestanden hat. Die beiden Regionalspielhilfen und Die Gunst der Göttin nehmen einen Großteil des Gesamtportfolios ein. Im Abenteuerbereich abseits der Begleitabenteuer war das Jahr vergleichsweise überschaubar, bemerkenswert erscheint mir an dieser Stelle eher ein qualitativ im Durchschnitt guter Schwung an neuen Heldenwerken.

Bei den Spielhilfen ist natürlich der Bündelungstrend mit den Kodex-Bänden auffällig. Diese Entwicklung begrüße ich ausdrücklich, aus meiner Sicht wird damit ein Grundproblem von DSA5 beseitigt. Die Bände sind zwar aus meiner Sicht auch ein Monument der Überkomplexität von DSA, aber alleine durch ihre Kompaktfunktion praktisch. Allerdings hat sich auch hier gezeigt, dass es ratsamer ist, auch solche Bände sehr gründlich zu überarbeiten, da sich gerade von den ersten beiden Bänden nicht wenige Spieler*innen enttäuscht zeigten, weil offenbar zu wenig Zeit in die Überarbeitung geflossen ist, was dann immerhin folgend korrigiert wurde. Bemerkenswert erscheint mir weiterhin die gute Qualität der Kreaturenbände, hier fügt sich Körperlose Schrecken als Geisterband nahtlos ein.

Im Romanbereich sticht natürlich das Ende der Phileasson-Saga heraus. König der Meere schließt die Reihe in meiner Wahrnehmung würdig ab, auch wenn sicherlich einige der vorherigen Bände grundsätzlich epischere Hintergründe hat. Aber gerade das intensive Finale ermöglicht es nochmal, viele der über lange Zeit liebgewonnenen Charaktere in Szene zu setzen.

Weiterhin fast durchweg gute Resultate liefert DSK. Schleichender Verfall klang zwar vom Setting her für mich nicht so attraktiv wie Havena und Fasar, das Resultat konnte mich aber einmal mehr überzeugen, gerade die Kombination aus einer Stadt und dem Wildnisbereich der Salamandersteine (und erweitert auch dem Nebelmoor) ist sehr reizvoll. Die Pfotenwerke sorgen zudem dafür, dass auch DSK jetzt einen regelmäßigen Nachschub außerhalb von Crowdfundings erhält. Die kurzen PDF empfinde ich allerdings inhaltlich teilweise als eher grob und oft stört mich auch der Eindruck, dass eigentlich zusammengehörende Inhalte künstlich aufteilt und partiert werden. Ein echtes Highlight ist für mich auf jeden Fall Im Reich der Königinnen, weil darin endlich ein längeres Abenteuer enthalten ist, noch dazu kombiniert mit einem atmosphärischen Hintergrundteil.       

Im Fanwerkbereich kann ich eigentlich nach wie vor das immergleiche Fazit ziehen, das ich auch in den Vorjahren formuliert habe: Es nötigt mir jedes Mal größten Respekt ab, was da viele Kreative meist in Alleinarbeit ohne das Know-how eines Verlags zustande bringen. Die oben genannten Fanwerke sollen dabei auch nur stellvertretend genannt werden, es gibt sicher noch viele mehr, die es ebenfalls verdient hätten, an dieser Stelle erwähnt zu werden.

Meine Jahreshighlights

Wie gesehen ist die Auswahl in diesem Jahr nicht unbedingt klein und da sind sicherlich auch viele gute Publikationen dabei, lobende Erwähnungen kann ich dabei an Das Wüstenreich und Die Winterwacht als Hauptbände ihrer Regionalflöten vergeben. Gleiches gilt für das starke Widderorden-Vademecum und die sehr lohnende Abenteuer-Anthologie Göttersplitter sowie den DSK-Band Im Reich der Königinnen und auch König der Meere als Abschlussband der Phileasson-Saga, der meine Erwartungen erfüllt hat.

Heraus ragen allerdings drei andere Bände für mich, die vielleicht nicht unbedingt auf den allerersten Blick spektakulär klingen. Zum einen handelt es sich um das Rahjakavaliere-Vademecum, weil es den Orden extrem reizvoll und dicht beschreibt und sich dabei auch innerhalb der meist guten Reihe der Vademecum-Bände weit vorne platziert. Vor allem zeigt es, welches Potential eigentlich in der Rahja-Thematik steckt, wenn man sich denn die richtigen Themenkomplexe herausgreift. Zum anderen hat mich Expurgico schwer begeistert. Der Roman um den sinisteren Magier Karjunon Silberbraue hat mir eine Figur vor Augen geführt, die ich bislang als absoluten Nebendarsteller wahrgenommen habe, die aber großes Potential in sich trägt. Hier würde ich mich sehr freuen, wenn der Roman eine Fortsetzung erfahren würde. Und zuletzt muss ich an dieser Stelle Kaiser Retos Waffenkammer nennen. Der hervorragende Band hat mich auch deshalb voll überzeugt, weil ein völlig anderer Schwerpunkt gesetzt wurde, als ich im Vorfeld erwartet hat, er gleichermaßen Geschichts- wie Waffenbuch ist.       

Daneben gab es über das Jahr verteilt auch viele Ereignisse abseits von den Rezensionen, über die ich im Blog berichtet habe. Wobei das Jahr in dieser Hinsicht leider sehr traurig begonnen hat, nachdem Ina Kramer im Januar verstorben ist. Im Verlagsbereich war sicherlich die ELF-Ankündigung des aufsehenerregendste Ereignis des Jahres, auf dessen Folgen wohl die gesamte DSA-Community gespannt ist.   

Für mich persönlich war 2023 im Dereblick ein gutes Jahr. Zum einen konnte ich mich wieder über neue Höchstwerte bei den Zugriffen freuen und damit auch über viel Interaktion. Das passt auch zu der Tatsache, dass ich im November das 10jährige Bestehen des Blog feiern durfte, worüber ich mich sehr gefreut habe (auch über die vielen netten Reaktionen). Wenn es nach mir geht, kann es noch eine ganze Weile so weitergehen. Wie immer möchte ich an dieser Stelle allen danken, die hier hin und wieder reinschauen, denn ohne Resonanz wäre alles nur halb so schön.   

Wer sich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, kann übrigens heute Abend ab 20 Uhr in den Kanal von Hinter dem Schwarzen Auge reinschauen. Dort halten Gernot und Adrian ihren DSA-Jahresrückblick ab und neben den beiden Autoren Christian Nehling und Fred Ericson werde auch ich als Gast dabei sein.  

Somit wünsche ich allen Leser*innen eine schönen Übergang von 2023 zu 2024. Hier im Blog geht es dann bald weiter, u.a. mit dem Jahresausblick auf das, was uns im DSA-Kosmos 2024 erwartet.

Viele Grüße

Engor          

8 Kommentare

  1. Kompliment! Auch dieser Artikel war wieder ein absoluter Lesegenuss. Zudem hast du kein einziges DSA-Detail ausgelassen, der Jahresrückblick war (meines bescheidenen Wissens nach) mehr als vollständig.
    Was ich mir langsam sicher bin: Engors Dereblick ist gar kein Einzelprojekt, sondern ein Team von mind. 5 Leuten. 😉 Die Regelmässigkeit und Ausgewogenheit deiner Artikel… ich habe keine Ahnung, wie du das seit 10 (!) Jahren hinkriegst. Dafür ein grosses Dankeschön!
    Mein persönlicher Rückblick 2023: Ich musste (leider) feststellen, dass ich nicht (mehr) Zielgruppe von DSA5 bin. Ich bin nicht mehr Sammler, nicht mehr Alleskäufer, nicht mehr CF-Unterstützer, da mich in diesem Jahr die Produkte so wenig wie noch nie interessiert haben. V.a. das nun schon 2. Rahja-CF hat mich wirklich geärgert.
    Dafür habe ich für mich andere P&P-RPGs entdeckt, neben D&D5 erst kürzlich Hexxen 1733. Dank Letzterem werde ich den Verlag somit noch ein wenig weiter unterstützen. 🙂
    Da gibts zwar auch das eine oder andere Nice-To-Have-Produkt, aber niemals in der Form wie 2023 bei DSA. Dort habe ich die Hoffnung darauf, dass meine Lieblingsregionen als RSH erscheinen werden, mittlerweile aufgegeben.
    Zum Schluss noch etwas Positives: Mach weiter so, Engor! Und wenn deinem Team mal langweilig werden sollte, würde ich mich auch über Rezis zu Hexxen freuen! 😉

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    1. Tja, ich fürchte, mein „Team“ und ich, wir sind mit DSA leider völlig ausgelastet:) Schade, wenn du nicht mehr Zielgruppe von DSA bist. Allerdings muss man sich ja auch nicht unbedingt alles reinpfeifen, wie ich das mache. Es gibt ja auch durchaus die Möglichkeit des Rosinenpickens, denn in der Masse sind auch eine Reihe von wirklich guten Sachen dabei. Hexxen sieht übrigens wirklich gut aus, aber wie gesagt reichen da leider meine Kapazitäten nicht aus.

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  2. Danke für deine viele Arbeit, die du in deine Blogbeiträge steckst. Sicherlich ist der Jahresrückblick ein riesiger textlicher Rundumschlag, wenn man denn auch fast alle Produkte zumindest namentlich würdigen möchte.
    Wie beurteilst du die Weltentwicklung, die sich in Summe ergibt? Ich wurde auch schon gefragt, was denn die grossen Geschichten derzeit sind. Da finde ich, dass die fast immer im Verborgenen stattfinden (Regionalabenteuer an erster Stelle) und daher nicht als sichtbarer Metaplot strahlen.

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    1. Gar nicht so einfach zu beantworten. Generell bin ich in diesem Jahr mit dem regionalen Metaplot durchaus zufrieden, sowohl im Wüstenreich als auch in der Winterwacht hat sich nach meinem Eindruck sehr viel mehr bewegt, als das bei früheren DSA5-Regionalspielhilfen der Fall war, stellenweise empfinde ich das sogar schon als Umwälzung.
      Was halt maximal schade ist, ist die sehr schwache Rahja-Kampagne. „Die verborgene Gabe“ hätte ein richtig großer Wurf werden können, wenn man sie denn durchdacht hätte. In der Ausbesserung kommt das auch durchaus rüber, aber auch da fehlt am Ende das Drehen am ganz großen Rad Karmakorthäon, was möglich gewesen wäre. Nach wie vor muss ich an den Willen zu größeren Veränderungen, die ganz Aventurien betreffen, ein großes Fragezeichen setzen. Stand jetzt glaube ich tatsächlich eher, dass die damals angekündigte Götterdämmerung eher ein Sturm im Wasserglas mit vielen Andeutungen, aber ohne Konsequenzen bleiben wird. Ich lasse mich allerdings liebend gerne vom Gegenteil überzeugen.

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  3. Eine tolle Zusammenfassung in gewohnt hoher Qualität, lieber Engor. Ich persönlich kann mit DSA5 nicht viel anfangen und spiele nach wie vor DSA4.1. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Meinem Vorredner kann ich mich zudem nur anschließen: Die Entscheidungen des Verlags sind mehr und mehr auf die „Sammler“ fokussiert, die wirtschaftlich gesehen selbstredend eine sehr wichtige Zielgruppe sind. Was mir inhaltlich fehlt, ist der Mut zu größeren Veränderungen innerhalb der Welt Aventurien, die dann auch konsequent weitergestrickt werden.

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